KI nutzen, ohne in Belanglosigkeit zu ertrinken
- Basar Seven
- 3. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Man könnte meinen, Unternehmen hätten aus früheren Automatisierungswellen gelernt. Doch die Geschichte zeigt: Allzu oft wird neue Technologie zuerst dafür eingesetzt, Kosten zu senken – nicht, um echte Qualität oder Sinn in der Arbeit zu schaffen. Genau hier liegt die Gefahr, wenn Organisationen Künstliche Intelligenz nur als Werkzeug betrachten, um „mehr vom Gleichen“ zu produzieren. Die Ergebnisse sind dann nicht selten beeindruckend im Volumen, aber ernüchternd im Wert.
Ethan Mollick bringt dieses Risiko auf den Punkt: KI-Systeme sind heute in der Lage, ökonomisch relevante Arbeit zu leisten. Doch ob diese Fähigkeit zu einem Fortschritt oder zu einer Flut inhaltsleerer Outputs führt, entscheidet das Umfeld, in dem sie eingesetzt wird. Das Bild des Unternehmens, das ein Memo von der KI in 17 PowerPoint-Varianten übersetzen lässt, ist dafür sprechend. Wer so vorgeht, spart vielleicht ein paar Minuten – verliert aber Stunden an Aufmerksamkeit, die in das Wesentliche hätte fließen können.
Arbeit, die Sinn stiftet

Ein systemischer Blick zeigt: Organisationen existieren nicht für sich allein. Sie stehen in Resonanz mit ihren Kunden, Mitarbeitenden und der Gesellschaft. Wenn KI nur als Rationalisierungsinstrument verstanden wird, reduziert sich Arbeit auf das Minimum – und damit auch ihr Wert. Ein Callcenter, das KI nur einsetzt, um mehr Anfragen billiger zu beantworten, mag kurzfristig profitieren. Doch langfristig leidet das Kundenerlebnis, weil echte Begegnung, Empathie und situatives Verstehen nicht ersetzt werden.
Ganz anders verhält es sich, wenn Unternehmen die Technologie nutzen, um das, was sie tun, zu vertiefen und zu verbessern. KI kann lästige Routinen übernehmen, Daten schneller aufbereiten oder komplexe Berechnungen durchführen. Dadurch entsteht für Menschen Raum, sich auf das zu konzentrieren, was für andere wirklich zählt: kreative Ideen, persönliche Beratung, sorgfältige Entscheidungen. An diesem Punkt beginnt Arbeit nicht nur effizienter, sondern auch sinnvoller zu werden.
Ein Workflow, der Verantwortung betont
Mollick verweist auf einen Arbeitsprozess, der genau dieses Gleichgewicht wahrt. Er lässt sich als eine Art Dreiklang verstehen:
Delegation: Die KI übernimmt den ersten Entwurf einer Aufgabe – ob es eine Analyse, eine Gliederung oder eine Berechnung ist.
Überprüfung und Korrektur: Der Mensch prüft, verbessert und steuert nach. Hier liegt die eigentliche Wertschöpfung: im Zusammenspiel von technischer Effizienz und menschlichem Urteil.
Eigenleistung: Bleibt die Qualität hinter den Erwartungen zurück, greift der Mensch wieder selbst zum Stift oder zur Tastatur.
Dieser Workflow ist kein bloßer Effizienztrick. Er stellt sicher, dass Menschen die Verantwortung behalten – und dass die Arbeit nicht zur Fließbandproduktion digitaler Artefakte verkommt. Studien zeigen, dass so nicht nur Kosten sinken (um bis zu sechzig Prozent), sondern auch Zeit frei wird (etwa vierzig Prozent schneller). Doch der eigentliche Gewinn liegt in der bewussten Entscheidung: Was lohnt sich zu tun?
Der Mensch im Zentrum

Wer KI in diesem Sinne einsetzt, verschiebt die Rolle des Menschen nicht ins Abseits, sondern in den Mittelpunkt. Arbeit wird nicht durch Algorithmen ersetzt, sondern durch sie bereichert. Mitarbeitende gewinnen Freiraum, sich dem zuzuwenden, was Maschinen nicht leisten: Sinn stiften, Beziehungen gestalten, kreative Perspektiven eröffnen.
Die eigentliche Herausforderung besteht also weniger darin, was KI kann, sondern darin, wofür wir sie einsetzen. Fantasielose Organisationen werden ihre Belegschaft durch einen Strom standardisierter Outputs zermürben. Vorausschauende Unternehmen hingegen nutzen die gleiche Technologie, um sich selbst zu fragen: Welchen Unterschied wollen wir machen – für unsere Kunden, für unsere Mitarbeitenden, für die Gesellschaft?



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